Mein Mann ist kein geübter Schwimmer, aber etwa einmal im Jahr legt er sich mit dem Meer an. Wenn das Wetter günstig ist, zieht er weit draußen seine Bahn parallel zum Strand – solange, bis er kurz vor der Erschöpfung ist. Leben ist wie Langstreckenschwimmen, so ähnlich jedenfalls hat es der jüdische Soziologe Aaron Antonovsky gesehen, von dem das faszinierende Konzept der Salutogenese stammt.
Weil ich lange Zeit im Gesundheitswesen gearbeitet habe, kann ich den Ausgangspunkt für seine Überlegungen gut nachvollziehen. Ich bin ja mit Ansatz ausgebildet worden, dass man möglichst aus einem Kranken wieder einen Gesunden machen sollte. Antonovsky verglich das mit dem Versuch, einen Schwimmer möglichst schnell wieder ans Land zu ziehen. Dahinter verbirgt sich aber eine – wie mir scheint – unzulässige Idealisierung von Gesundheit. Können wir uns denn jemals dem „Strom der Gefahren“ völlig entziehen? Wohl kaum! So sah das auch Aaron Antonowsky. Deshalb schlug er vor, sich stärker damit zu beschäftigen, wie man aus Menschen „bessere Schwimmer“ machen kann.
Mich hat in diesem Sommer die Geschichte einer britischen Touristin bewegt, die von einem Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer gestürzt war. Um die Strapazen zu bewältigen, sang sie, „damit sie in der Nacht nicht so sehr die Kälte fühlte“ – so jedenfalls hat sie es später einem Retter berichtet. Es kommt eben auf die Einstellung eines „Dauerschwimmers“ an! Für Antonowky war die lebenserhaltende Einstellung ein ganz besonderer Mix, der aus drei Zutaten besteht. Wer im Leben nicht untergehen will, muss erstens ein ziemlich gutes Gespür dafür haben, was gerade passiert, sich zweitens nicht als „armes Opfer“, sondern als ein fähiger Überlebenskünstler betrachten und drittens in dem, was er tut, etwas Bedeutendes und Sinnvolles sehen. Wer so an sein Leben rangeht, der hält sich leichter über Wasser. Mir sind diese Ansichten wie aus dem Herzen gesprochen. Als ich 1998 nach Gera kam, erkannte ich ziemlich schnell, dass ich selbst in die Spur gehen musste, wollte ich nicht eines Tages enttäuscht und frustriert enden. Ich sah Gefahren, aber auch Chancen. Mein Traum war es, eine gute Heilpraktikerin zu werden. Ich organisierte mein Leben neu und setzte auf meine Stärken, zu denen Beharrlichkeit und Gründlichkeit gehören. Schließlich konnte ich mir mit meiner Praxis etwas aufbauen, dass mich zutiefst mit Sinn erfüllt. So habe ich meinen Platz im Leben gefunden.
Wie gerne gehe ich nun mit meinen Patienten auf die Suche nach dem, was in ihrem Leben drin steckt, statt nach dem zu bohren, was fehlt. Mir macht es Freude, mich mit anderen Menschen zusammenzusetzen, um das zu entdecken, was einen tragen und weiterbringen kann. Solche Prozesse liebe ich. Wie oft durfte ich es schon miterleben, wie schön und erfüllend solche Momente sind, wenn ein Mensch zu seinem inneren Reichtum kommt und wieder Lust darauf hat, sich mit den Herausforderungen zu messen. Ich möchte jeden ermutigen, sich immer wieder auf die Suche nach den persönlichen Schätzen zu machen. Werden Sie gute Schwimmer!
Ihre Heilpraktikerin Uta Erben